Achtsamkeit oder Antidepressiva? Was wirkt besser?

Auch in der Forschung steht Achtsamkeit seit Längerem im Fokus. Knapp 16.600 Studien wurden im Zeitraum von 1966 bis 2021 veröffentlicht. In einer aktuellen randomisierten klinischen Langzeit-Studie (2018-2020) untersuchte eine Arbeitsgruppe um Elizabeth Hoge von der Georgetown University Medical Center in Washington, D.C. erstmals, was besser wirkt: Antidepressiva oder Achtsamkeit.
(https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36350591/).
An dieser klinischen Studie nahmen gut 200 Erwachsene mit Angststörungen teil. Es erfolgte eine zufällige Aufteilung 1:1, an einem achtwöchigen Meditationstraining „Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“ nach Jon Kabat-Zinn nahm die eine Hälfte der Erwachsenen teil.
Die andere Hälfte nahm in dieser Zeit täglich das Antidepressivum Escitalopram ein. Bei diesem Wirkstoff handelt es sich um ein von Psychiatern häufig verschriebene Antidepressiva.
Die Wirkungen beruhen auf der Inhibition der Wiederaufnahme von Serotonin in den Präsynapsen. In der Folge steigt die Serotoninkonzentration in dem synaptischen Spalt zwischen den Nervenzellen. Serotonin ist bekannt als sogenanntes „Glückshormon“.
Patient*innen lernten bei dem Meditationstraining „Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“ ihren Atem zu beobachten, sich achtsam zu bewegen und einzelne Körperteile bewusst wahrzunehmen.
Sie besuchten wöchentlich einen Kurs, nahmen einmalig an einem längeren Workshop teil und übten jeden Tag allein zu Hause.
Jeweils vor (Baseline) während der Behandlung (4. Und 8. Woche) und in Follow-up Untersuchungen in der 12. und 24. Woche wurde mithilfe der CGI-S Skala (Clinical Global Impression of Severity) der Krankheitsstand der Patienten erhoben. Dabei wurde diese siebenstufige Skala (von 1 für“ vollkommen gesund“ bis 7 für „schwerstkrank“) eingesetzt.
Ob Patient*innen Escitalopram einnahmen oder Achtsamkeitstrainings durchführten, machte keinen Unterschied. In den Follow-up Untersuchungen erreichten sie ebenfalls nahezu identische Werte.

Allerdings führte die Einnahme des Antidepressivums bei nahezu 80% der Teilnehmenden zu unangenehmen Nebenwirkungen wie Einschlaf-u. Durchschlafproblemen (Insomnie), Erschöpfung, Kopfschmerzen und Übelkeit, sowie eingeschränkter Libido.
In der Gruppe mit dem Meditationstraining „Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“ traten bei 5% dieser Patient*innen leicht erhöhte Angstzustände auf.
In dieser Studie erwies sich MBSR als gut verträgliche Behandlungsoption mit vergleichbarer Wirksamkeit wie eine Erstlinienmedikation für Patient*innen mit Angststörungen.

Problematische gewohnheitsmäßige Denkmuster sind charakteristisch für Angststörungen.
Achtsamkeitstraining lenkt den Geist speziell auf den gegenwärtigen Moment;
so üben die Teilnehmenden, Gedanken und Empfindungen als lediglich vorübergehende mentale Phänomene zu betrachten, die nicht notwendigerweise ein genaues Abbild der Realität sind.
Dieser Prozess der Neubewertung verbessert die Emotionsregulierung, und die Betroffenen reagieren weniger reaktiv auf Gedanken und Empfindungen.
Darüber hinaus wird Achtsamkeit mit einer nicht wertenden, akzeptierenden Haltung praktiziert, was mit der Zeit die Selbstakzeptanz und das Selbstmitgefühl steigert.